Die Entdeckung der verloren geglaubten Klosteranlage
Mit Worten, die wie der Titel eines Abenteuerromans klingen, beschreiben Architekt und Bauherr die außergewöhnliche Planungsgeschichte der Jacoby Studios in Paderborn. Um diese vor Ort nachzuvollziehen, kamen auf Einladung des Teams Baukultur 40 Interessierte aus westfälischen Planungsbüros und Verwaltungen zu einem Hausbesuch zusammen.
Das Grundstück in der Paderborner Altstadt hatte die in der Stadt verwurzelte Unternehmerfamilie Jacoby erworben, um hier den repräsentativen Sitz ihrer mittelständischen Unternehmensgruppe einzurichten. Ursprünglich war hier im 17. Jahrhundert ein Kapuzinessenkloster errichtet worden, das seit dem 19. Jahrhundert als Landeshospital genutzt, im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und anschließend ebenfalls als Krankenhaus in veränderter Form wiederaufgebaut worden war. Um das Vorgefundene zu transformieren, hatte sich die Familie 2014 an David Chipperfield Architects in Berlin gewandt, deren Haltung beim Bauen im Bestand ihnen besonders zusagte, so Unternehmensgründer Franz Jacoby zur Begrüßung in der kunstvoll ausgestatteten Kantine.
Doch zu Beginn dieses Projekts trat vor das für Chipperfield typische Bewahren und Ergänzen an erste Stelle ein Wiederentdecken, wie Projektarchitekt Frithjof Kahl darstellte. Im Rahmen erster Studien verdichteten sich nämlich die Hinweise, dass inmitten des Wiederaufbaus noch deutlich mehr Substanz des zerstört gewähnten Klosters vorhanden sein musste als nur die sichtbare, denkmalgeschützte Kapellenfassade. Anhand eindrucksvoller Bilder aus dem Bauprozess und bei einer ausgedehnten Führung schilderte Kahl, wie zunächst über das Vergleichen von Grundrissen und anschließend auch bei materiellen Stichproben (beispielsweise hinter Küchen- oder Toilettenwänden) der historische Kreuzgang, der Hochchor und die Klosterzellen zum Vorschein kamen.
Diese inzwischen ebenfalls denkmalgeschützten Funde waren ausschlaggebend für den Entwurfsansatz, den Bestand zu „schälen“ und auf die noch erhaltene Vorkriegssubstanz zurückzubauen. Fehlstellen im historischen Mauerwerk wurden dabei mit ablesbaren neuen Ziegeln geschlossen. So bildet der ehemalige Hochchor heute das Foyer, die früheren Klosterzellen beherbergen (nach Wanddurchbrüchen) Büros und der Kreuzgang bleibt als poetischer Freiraum erlebbar – ebenso wie der historische Kapellenraum, der während der Krankenhausnutzung verstellt war, nun zum Außenraum umgewidmet wurde und als Eingangshof fungiert. Dass mit den historischen Materialien zugleich auch die kontemplative Atmosphäre wiedergekehrt ist, wurde vor Ort unmittelbar deutlich.
Aufgelockert werden die sakralen Spuren durch die umgebende landschaftsarchitektonische Gestaltung von Wirtz International, die die Gruppe durchwanderte, bevor der Rundgang zu den vier ergänzenden Neubauflügeln führte, die nicht zufällig an das Ernsting Service Centre von Chipperfield (1998–2001) im ebenfalls westfälischen Coesfeld erinnern, wie Frithjof Kahl verriet. Das Wasser der direkt am Grundstück entlangfließenden Paderquellen mit einer konstanten Temperatur von zehn bis zwölf Grad dient den Gebäuden als natürliche Kühlung beziehungsweise Heizung. Eine Klimaanlage ist verzichtbar, weil außerdem große Holzfenster, hohe Decken und schattenspendende Loggien die Luftqualität regulieren – auch dies ein Entwurfsprinzip, das bei diesem Hausbesuch an einem warmen Frühlingstag am eigenen Leib zu erspüren war.
Fotos: LWL/Schmidt & Djahanschah
Text: LWL/Liesner
